Eine neue Art,
Politik zu machen

VON ARTHUR KRÖN UND LEO PLATZER

Sie sind jung, ambitioniert, innovativ und wollen die Welt verändern. Eine Beschreibung, die auf viele neue politische Projekte zutrifft. Selten jedoch ist man derart organisiert und breit aufgestellt. Volt ist eine Bewegung, die es geschafft hat, in jedem Mitgliedstaat lokale Organisationen aufzubauen, die Kandidaten in regionalen Wahlen stellen und dennoch europaweit mit ein und demselben Wahlprogramm für eine grundlegende Reform der Europäischen Union zu kämpfen. Das Ziel ist es, nicht nur die Strukturen der EU zu verändern, sondern eine neue Art der Politik zu verbreiten. Das Wahlprogramm und das knapp 300 Seiten lange Dokument “Mapping of Policies” wurden gemeinsam verfasst. Jedes Mitglied bekam die Möglichkeit, mitzuarbeiten.

Mittlerweile gibt es über 25.000 “Volter” in ganz Europa. Volt wird in acht Ländern auf dem Stimmzettel stehen, darunter auch in Deutschland (in Österreich scheiterte die Partei an der Unterschriften-Hürde). Politisch lässt sich Volt schwer einordnen. Sie sind eben neu und wollen sich dem herkömmlichen politischen Spektrum nicht zufriedengeben. Die Prioritäten sind: Smart State, Economic Renaissance, Social Equality, Global Balance, Empower Citizens, Reform and Strengthen the EU, wobei die europäischen Grundwerte im Mittelpunkt stehen. Um Lösungen für diese Themen zu erarbeiten, wird nicht auf eine bestimmte Ideologie zurückgegriffen, sondern alle Mitglieder werden zur Mitarbeit eingeladen. 70 % der Mitglieder waren zuvor noch nie Mitglied einer politischen Partei.

Volt steht für radikalen Wandel und Innovation. Volt ist, was passiert, wenn man den Träumen und Ambitionen junger Menschen freien Lauf lässt. Doch bleiben diese Ambitionen Träume, oder werden sie das Europa von morgen?

Wir haben Cyrus Rostami, den Präsidenten von Volt Österreich, im Parteibüro in Wien getroffen. Er gab uns Einblicke in seine Motivationen und Volt als politische Kraft. (Das Gespräch erfolgte, bevor die Kandidatur Volts in Österreich an der Unterschriftenhürde scheiterte.)

Wo würde sich Volt auf einem politischen Spektrum einordnen?

Volt lässt sich eigentlich nicht auf den alten politischen Spektren des 19. und 20.Jahrhunderts einordnen. Es ist eben etwas Neues. Wir lassen uns eher auf einer nationalen, transnationalen Skala einordnen, weder links noch rechts, sondern national und transnational.

Aber wirtschaftspolitisch zum Beispiel, eher liberal oder sozialistisch?

Beides, Volt arbeitet lösungsorientiert. Best Practice steht vor Ideologie. Volt ist für eine europäische Körperschaftsteuer und ein europäisches Mindestlohn-System gemäß des nationalen BIPs, was als eher links angesehen werden könnte. Gleichzeitig sind wir für eine Erleichterung der europaweiten Unternehmensgründung, was vielleicht eher liberal sein könnte. Also bei uns geht es überhaupt nicht darum, ob es liberal, konservativ, sozial oder asozial ist, sondern wie es implementiert wird. Ob es uns hilft, unsere Lösungen zu erreichen. Wenn Leute mit den verschiedensten kulturellen und nationalen Hintergründen zusammenkommen, um gemeinsam Lösungen finden, sind ideologische Backgrounds eher weniger wichtig.

Was wäre Ihre Utopie? Was wäre das ideale Europa für Sie?

Ein föderales Europa, wo alle Völker Europas mit den verschiedensten kulturellen und sprachlichen Backgrounds gemeinsam sich selbst bereichern und für gemeinsame Ziele kämpfen.

Was ist Volts Weg zu diesem europäischen Ideal?

Wir sind gegen einen Top-down Approach. Also wir wollen den Leuten nicht befehlen, was geschehen muss, sondern sie dazu bringen, selbst Veränderungen herbeizuführen. Das versucht Volt, indem es in allen Ländern Europas, Gemeinden und selbst kleinsten Städten die Leute motiviert, selbst aktiv zu werden.

Wie wollen Sie ein europäisches Bewusstsein schaffen?

Das braucht Zeit und braucht teils auch eine politische Bildung. Wir wollen in den Gemeinden ansetzen. Die Erstwähler fragen: Was hat Europa mir gebracht? Viele Leute wissen oder schätzen den Wert der letzten 70 Jahre ohne Kriege nicht. Wir haben mit vielen älteren Leuten gesprochen, die uns alle gesagt haben, dass sie gerade verängstigt sind, wohin sich Europa entwickelt und deshalb wieder aktiv werden.

Um Einfluss in der europäischen Politik zu gewinnen, müssen Sie als Partei die Wähler ansprechen. Was ist Ihre Zielgruppe?

Wir haben in Deutschland einen Kandidaten, der über 70 Jahre alt ist und auch in Österreich ähnlich alte Mitglieder. Unsere Zielgruppe ist von 14 bis 90 Jahren. Jeder kann Mitglied werden. Wir sprechen jeden an. Wir schränken uns auf keine Zielgruppe ein. Wir wollen jeden Europäer, egal ob jung oder alt, weiblich oder männlich oder LGBTQ+.

Wie wollen sie es aber schaffen, dass Volt wirklich zur Mehrheitspartei wird, die in allen Schichten der Gesellschaft Anklang findet?

Sie haben Recht: Momentan schaut es so aus, als ob ein Großteil dieser Bewegung von den Jugendlichen getragen würde. Die Energie kommt von den Jugendlichen, aber wir brauchen die Expertise der Älteren. Wie Sie vielleicht wissen, arbeiten wir online, um eben europaweit gemeinsam aufzutreten. Aber das ist vielleicht eine Hürde für ältere Personen. Wir haben extra einen Kurs für ältere Mitglieder angeboten, um ihnen beizubringen, wie sie über Google Drive Dokumente bearbeiten. Whatsapp haben sie das erste Mal installiert und wussten anfangs nicht, wie es funktioniert. Wir müssten unsere Plattform inklusiver gestalten, damit mehr Leute leichter daran teilhaben können.

Wie würden Sie Volt zum Beispiel einem rumänischen Hausmeister in Bukarest erklären und ihn davon überzeugen, dass Volt die richtige Wahl für ihn ist?

Da müssen Sie Volt Rumänien fragen. Jeder Nationalstaat hat seine eigenen Probleme. Für diese Frage würde ich eher eine rumänischen Hausmeister in Österreich vorschlagen. Und das kann ich am besten machen, indem ich ihm genau die Ziele von Volt in Rumänien aufzeige und ihm erkläre, dass Volt nicht nur in Österreich gegen Korruption, gegen Kriminalität, für eine saubere Welt, für eine bessere Zukunft kämpft, sondern auch in seinem Land Rumänien. Dass wir nicht nur in Österreich das Mindestlohnsystem haben, das er gerade genießt, sondern auch in Rumänien dafür kämpfen, dass die Leute einen Mindeststandard an Arbeitnehmerrechten genießen können.

Selbst wenn der Einzug ins Europaparlament gelänge, verhindern die Strukturen der Europäischen Union allerdings drastische Veränderungen. Wie können Sie diese Widerstände überwinden?

Wir wissen, dass wir vieles nicht gleich verändern können, auch wenn wir ins Europäische Parlament einziehen. Aber eines können wir gewährleisten: Dass wir die Stimme der Bevölkerung dort repräsentieren und dort alles versuchen werden, um die Veränderungen, auch mit anderen Partnern, die gemeinsame Ziele vorantreiben, zu erreichen.

Sind die EU und ihre Institutionen überhaupt reformfähig?

Die können wir nicht nur reformieren, indem wir ein Teil vom Europäischen Parlament werden. Viele Reformen, die wir verlangen, bedürfen einer Reformierung der Verträge der Europäischen Union. Deshalb muss man in den Nationalstaaten aktiv sein, damit diese Ziele in allen Ländern Europas durchgesetzt werden. Wir versuchen auch, in allen Regionen aktiv zu sein, weil unser Ziel ist es auch, auf nationaler und europäischer Ebene die Ziele und die Reformen von Volt durchzusetzen.

Sie haben in relativ kurzer Zeit eine beeindruckende Bewegung mit vielen Kampagnen aufgebaut. Wie haben Sie das Ganze finanziert?

Über Crowdfunding und hauptsächlich aus eigener Tasche. So wurde europaweit alles finanziert und wir versuchen, das auch weiterhin so handzuhaben.