CDU/CSU

Die stabile Mitte

VON CAMILLA MAGIS & MAXIME PSCHERA

Die Unionsparteien CDU und CSU, welche zu den Urgesteinen in der deutschen Parteienlandschaft gehören, besetzen im politischen Spektrum Positionen der Mitte und rechts der Mitte. Die CSU tritt nur in Bayern an, die CDU in den anderen Bundesländern. Trotz kleinerer Unterschiede und Besonderheiten werden die Parteien oft gemeinsam behandelt. So auch hier.

Der Zusammenschluss der Schwesterparteien CDU und CSU im Bundestag zu einer Fraktion wird als Union bezeichnet.

Sowohl die Christlich Demokratische Union (CDU) als auch die Christlich-Soziale Union (CSU) zeichnen sich vor allem durch ihre überkonfessionellen, christlich-sozialen Wurzeln aus. Wirtschaftlich vertreten sie dabei liberale Positionen, bei gesellschaftlichen Fragen sind sie jedoch tendenziell konservativ. Gemeinsam bilden sie eine bürgerlich-konservative Sammlungspartei. Programmatisch orientiert sich die Union an einem christlichen Menschenbild, woraus die CDU für sich die drei Grundwerte „Freiheit, Solidarität und Gleichheit“ ableitet. Die Unionsparteien sehen sich als „Volkspartei der Mitte“.

Die beiden Parteien sind finanziell, organisatorisch und programmatisch getrennt. Sie bilden jedoch im Bundestag eine gemeinsame Fraktion, auch Unionsfraktion genannt. Diese in Deutschland einmalige Konstellation zwischen der CDU und der CSU hat historische Gründe: Als sich auf dem ersten Bundesparteitag der Union im Jahr 1950, fünf Jahre nach der Gründung der CDU und CSU, alle christdemokratischen Landesparteien Deutschlands zur CDU zusammenschlossen, lehnte die CSU diese Fusion ab. Sie wollte sich nicht in eine deutschlandweite Organisationsstruktur einfügen und beschränkte daher Ihren Operationsbereich auf Bayern. Die CDU ist in allen restlichen Bundesländern aktiv. Seit 1950 arbeiten die beiden Parteien als Union auf Bundesebene in einer Arbeitsgemeinschaft zusammen und treten auch bei den Bundestagswahlen gemeinsam auf. Es bestehen kleinere Unterschiede zwischen den Schwesterparteien: Die CSU nimmt in gesellschaftlichen Fragen tendenziell konservativere Positionen ein. Außerdem setzt sie sich für mehr Eigenverantwortung Bayerns in Deutschland und Europa ein. Abgesehen davon stimmen die beiden Parteien in Ihren politischen Grundsätzen größtenteils überein.

Auch in der Jugendarbeit machen die beiden Parteien gemeinsame Sache. Die Junge Union (JU) ist mit 110.000 Mitgliedern die mitgliederstärkste Jugendorganisation einer politischen Partei in Deutschland und auch in Europa. Ihre Aufgabe ist es, die politischen Ziele der Union in der Jugend und die der Jugend in der Union zu vertreten. Ihr neuer Vorsitzender Tilman Kuban sieht die JU als eine Art Korrektiv der Unionsparteien. Er versicherte in seiner Kandidatenrede, dass die Junge Union es nicht dulden werde, „wenn sich unsere Mutterparteien mit vermeintlichen Wohltaten und nicht mit Zukunftsthemen befassen“.

Auf europäischer Ebene sind CDU/CSU Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP), einem Zusammenschluss christdemokratischer und konservativer Parteien. Mit 28% der Sitze bildet die EVP die größte Fraktion im Europäischen Parlament. Für die diesjährigen Europawahlen ist der CSU-Politiker Manfred Weber Spitzenkandidat der EVP und macht sich Hoffnungen auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten.

Wo bleibt der Mut zur Reform?

KOMMENTAR KONTRA

VON JAN OLSSON

CDU und CSU sind mit ihrer Politik der letzten Jahre verantwortlich für die Probleme, die sie nun beklagen. Wer die großen Herausforderungen in Europa ernst nimmt, darf nicht für das schnöde “Weiter so” der Unionsparteien stimmen.

„Diese Wahl ist unglaublich wichtig“ – ein Satz, den man von Politikern vor beinahe jeder Wahl hört. Doch bei dieser Europawahl könnte es tatsächlich stimmen. Denn die Herausforderungen, vor denen Europa steht, sind gewaltig. Die Frage der Migrationspolitik, gescheiterte Freihandelsabkommen, und Probleme der Wirtschafts- und Währungsunion verlangen Europa Handlungsfähigkeit ab.

Ist die CDU also die richtige Wahl, um Europa fit für die Zukunft zu machen?

In Brüssel regiert schon seit geraumer Zeit eine inoffizielle Große Koalition aus EVP und S&D, wobei die EVP die Mehrheit der Kommissare in der aktuellen EU-Kommission stellt. Die Erfolge und Misserfolge jüngster Zeit wurden folglich sehr direkt durch die Politik der CDU/CSU mitbestimmt.

Die EVP (Europäische Volkspartei) ist die europäische Fraktion im Europaparlament, der die CDU angehört. In der EVP-Fraktion schließen sich konservative und christdemokratische Parteien in Europa zusammen

S&D: Sozialdemokratisches Pendant zur EVP

Wenn man sich jedoch die Bilanz der vergangenen Jahre und den Zustand der europäischen Institutionen ansieht, so kann einen die Leistung der Union und ihrer europäischen Mutterpartei nicht zufriedenstellen. Selbstverständlich ist Politik ein Geschäft mit Kompromissen, und eine grundlegende Reform der EU-Institutionen ist kein leichtes Unterfangen. Dennoch besteht es in Anbetracht der niedrigen Beteiligung bei Europawahlen und mangelnder Öffentlichkeit für europäische Politik ein dringender Bedarf, die EU transparenter, bürgernäher und demokratischer zu gestalten.

Der Reformstau beginnt beim fehlenden Initiativrecht für das Europäische Parlament und hört bei der dringend gebotenen Verkleinerung der EU-Kommission noch lange nicht auf.

Denn nicht nur bei den europäischen Institutionen sperrt sich die Union gegen Reformen. Auch in der Wirtschaftspolitik hat es die CDU verpasst, auf nationaler und europäischer Ebene neue Vorhaben in Gang zu bringen. In Deutschland war die Wirtschaftspolitik der letzten Jahre  von immer neuen Ausgaben wie der Mütterrente oder der Rente mit 63 geprägt. Anstatt in der Phase des Booms für die nächste Krise vorzusorgen, haben die Unionsparteien es zugelassen, dass an falscher Stelle Geld verprasst wird. Dringend notwendige Investitionen in Zukunftstechnologien wie die Künstliche Intelligenz mussten sich in den vergangenen Jahren der Rentenpolitik unterordnen.

Die Mütterrente wurde 2014 auf Drängen der CSU eingeführt. Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, erhalten dadurch eine höhere Rente als Ausgleich für die Kindererziehung.

Um jedoch zukünftig dem Wettbewerb mit China und den USA gewachsen zu sein, braucht es umfassende Freihandelsabkommen, bessere Voraussetzungen für Start-Ups sowie Investitionen in Wissenschaft und Technologie. Auf europäischer Ebene hat die CDU eine Vision für die gemeinsame Gestaltung der Wirtschaftspolitik bisher vermissen lassen.

Dringend notwendige Investitionen in Zukunftstechnologien wie die Künstliche Intelligenz mussten sich in den vergangenen Jahren der Rentenpolitik unterordnen. Um jedoch zukünftig dem Wettbewerb mit China und den USA gewachsen zu sein, braucht es umfassende Freihandelsabkommen, bessere Voraussetzungen für Start-Ups sowie Investitionen in Wissenschaft und Technologie. Auf europäischer Ebene hat die CDU eine Vision für die gemeinsame Gestaltung der Wirtschaftspolitik bisher vermissen lassen.

Der französische Staatspräsident Macron hingegen hat in seiner Rede an der Sorbonne proaktiv eine Vision für Europa formuliert. Die deutschen Regierungsparteien, vor allem die CDU/CSU, nehmen dagegen lediglich eine reaktive Rolle ein. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer antwortete kürzlich in einem Zeitungsartikel auf einige der Vorschläge von Macron, in dem sie sich beispielsweise gegen einen europaweiten Mindestlohn aussprach. Das ist viel zu wenig, um echte europäische Reformen voranzutreiben.

Zwar geriert sich die CDU selbst gerne als eine proeuropäische Partei, macht sich in dieser Hinsicht aber gleich mehrfach unglaubwürdig: Der ungarische Präsident Viktor Orban treibt in seinem Land den Abbau des Rechtsstaates voran. Er schränkt die Pressefreiheit ein und spricht offen von seinem Ziel einer illiberalen Demokratie. Dabei gehören Weltoffenheit und Liberalität unverwechselbar zum Kern des europäischen Wertekanons. Demokratische Politiker können daher gar nicht anders, als das ungarische Schauspiel zu verurteilen. Doch die CDU und CSU gehörten gemeinsam mit Orbans Fidesz-Partei der EVP-Fraktion im Europaparlament an und ziehen Seite an Seite mit Orban in den Europawahlkampf. EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber distanziert sich dabei höchstens rhetorisch. Wirklich tätig werden und einen Rausschmiss Orbans aus der EVP herbeiführen will Weber offenbar nicht. Wer sich also Europa nur als ein liberales Europa vorstellen kann, sollte am 26. Mai nicht die CDU wählen.

In gesellschaftspolitischen Fragen vertritt die Union konservative und teilweise christlich geprägte Positionen. Beispielsweise hat die CDU im Bundestag überwiegend gegen die Ehe für alle gestimmt, was als Ausdruck einer rückwärtsgewandten Gesellschaftspolitik gewertet werden kann. Gerade als junger Mensch sollte man sich bei der Wahl der CDU der Tatsache bewusst sein, dass die Partei in gesellschaftspolitischen Fragen eine sehr wertkonservative Haltung vertritt.

Außerdem positioniert sich die CDU in Migrationsfragen als eine klar ordnungspolitische Kraft und hält viel auf ihr markantes Profil in Fragen innerer Sicherheit. Doch oftmals geschieht dies zu Lasten von Minderheiten. Politiker der CDU und insbesondere der CSU werden nicht müde, die Thematik des Sozialmissbrauchs in Deutschland beispielsweise durch Einwanderer aus europäischen Ländern wie Bulgarien und Rumänien anzuprangern. Selbstverständlich ist Sozialmissbrauch nicht zu tolerieren. Doch ist dies eher ein Ausdruck populistischer Stimmungsmache denn ernsthafter Besorgnis um unser Sozialsystem angesichts tatsächlich eher geringer Zahlen an Missbrauchsfällen.

Weiterhin war es die Union, die lange Zeit darauf beharrte, die am Mittelmeer ankommenden Flüchtlinge seien das Problem von Griechenland, Italien und den anderen europäischen Ländern am Mittelmeer. Das Dublin II-Abkommen, das besagt, dass Flüchtlinge stets im Land ihrer Erstankunft bleiben müssen, war für sie so lange akzeptabel wie das Flüchtlingsproblem ein rein südeuropäisches Problem war. Im Zuge der Flüchtlingskrise des Jahres 2015 jedoch forderte sie ebenjene Solidarität von unseren europäischen Partnern ein, die Deutschland lange nicht zu geben bereit war. Zu einem zukunftsfähigen Europa gehört eine gemeinsame europäische Migrationspolitik. CDU und CSU haben eine solche durch ihre strategischen Fehler leider verhindert.

Eine Wahl für die CDU ist eine Wahl für ein „Weiter so!“, das sich Europa aber nicht leisten kann. Eine konservative Partei wird nicht die entscheidenden Reformen anstoßen, die unser Kontinent so dringend braucht. Europa darf nicht nur eine abstrakte, bürgerferne Ebene bleiben, sondern muss demokratischer und transparenter werden! Denn beinahe alle relevanten Probleme unserer Zeit – Klimawandel, Digitalisierung, Migration – lassen sich nur global, oder zumindest auf europäischer Ebene lösen. Dafür braucht es echte Europäer und keine Orban-Freunde!

Stabilität und Sicherheit in turbulenten Zeiten

KOMMENTAR PRO

VON JONAS F. KOCH

Gesucht: Moderner Konservatismus, ruhige Hand, langfristige Planung, Rücksicht auf nationale Identitäten, Handlungsfähigkeit, Geschlossenheit.

Gefunden: Die CDU/CSU in der EVP unter ihrem Spitzenkandidaten Manfred Weber.

Trump im Weißen Haus, chaotischer Brexit im alten Königreich, Aufschwung von den politischen Extremen in anderen Teilen Europas – und was nun? Der Schrei nach radikalen „Lösungen“ ist in solch turbulenten Zeiten (verständlicherweise) immer groß. Es wird hartes Eingreifen versprochen, man wolle schnellstmöglich aus dem Euro raus und keinerlei Flüchtlinge mehr aufnehmen, oder, auf der anderen Seite, eine Sozial- und Transferunion ausrufen und die Grenzen öffnen. Diese Vorschläge sind verlockend. Sie geben vor, dass komplexe Systeme auf wenige Variablen heruntergebrochen werden können, was jedoch selbstverständlich nicht der Fall ist. Gerade in solchen Zeiten braucht es eine ruhige Hand, und nicht hektisches Handeln um des Handelns willen. Dies ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Stillstand! Was wir brauchen ist eine Art modernen Konservatismus, der erhält, was es zu erhalten gilt – wie die Berücksichtigung der nationalen Identitäten und Eigenheiten der Nationalstaaten – und dennoch reformiert, was es zu reformieren gilt.

Voraussetzung dafür ist eine Handlungsfähigkeit der EU, die aktuell nicht immer gegeben ist. In der Steuer- und Außenpolitik können einzelne Staaten durch das System der Einstimmigkeit jegliche Vorhaben blockieren. Die resultierende Handlungsunfähigkeit führt – zu Recht – schnell zur Frustration in der Bevölkerung. Deshalb wird die von der CDU/CSU unterstützte Einführung der qualifizierten Mehrheitsentscheidung in Fragen der Steuer- und Außenpolitik dringend benötigt.

Die qualifizierte Mehrheitsentscheidung beruht auf dem Prinzip der doppelten Mehrheit. Mindestens 55% der Mitgliedstaaten, die mindestens 65% der EU-Bevölkerung vertreten, müssen zustimmen.

Auch die Sicherung der EU-Außengrenzen ist mit gutem Grunde von äußerster Priorität für die CDU/CSU. Aus wirtschaftlicher Sicht und natürlich auch für junge Europäer auf Reisen ist eines der höchsten Güter die freie Bewegung ohne Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raumes. Da die teilnehmenden Staaten jedoch eine ihrer höchsten Souveränitäten in Form von Grenzkontrollen de facto abgeben ist es ungemein wichtig, dass das in die EU und Partnerländer gesetzte Vertrauen stets vorhanden ist. Das heißt: Die Außengrenzen der Schengen-Zone, und der EU im Allgemeinen, müssen strikt kontrolliert werden, da sonst eben dieses Vertrauen verloren gehen und zu der Schließung nationaler Grenzen führen kann, wie es während der Flüchtlingskrise 2016 sogar Dänemark gemacht hat. Demzufolge ist es richtig, wenn Deutschland, das keine eigenen EU-Außengrenzen hat, Länder entlang der Mittelmeerküste und den osteuropäischen Landgrenzen finanziell und personell unterstützt.

Der Schengen-Raum bezeichnet ein Gebiet von 26 europäischen Staaten, zwischen denen keine Grenzkontrollen durchgeführt werden.

Zum effektiveren Grenzschutz und Kampf gegen Schlepperbanden soll FRONTEX um 10.000 weitere Grenzschützer erweitert und von deutschen Polizisten unterstützt werden. Migranten müssen künftig direkt vor Ort in europäischen Transitzentren registriert werden.

FRONTEX ist die Agentur der EU für die Grenz- und Küstenwache.

Bis Systeme wie das Europäische Ein- und Ausreiseregister (EES) und Europäische Reisegenehmigungssystem (ETIAS) noch nicht aktiv und miteinander verknüpft sind und somit der EU-Außengrenzschutz noch nicht voll gewährleistet ist, muss an temporären Binnengrenzkontrollen festgehalten werden. Diese Eckpunkte sind nicht nur reine Rhetorik, sondern notwendig um die Rechtsstaatlichkeit und Kontrolle über unsere Länder, und somit das Vertrauen der Bürger, wiederzugewinnen.

Das EES und ETIAS sind von der EVP vorgeschlagene Programme, die es u.a. erlauben genau zu verfolgen welche Drittstaatangehörige sich in der EU befinden.

Daher geht auch die Etablierung einer Verteidigungsunion bis 2030, also de facto einer EU-Armee, in die richtige Richtung. Auch wenn es vor allem für junge Leute nicht mehr zeitgemäß scheint, Armeen aufzubauen, spielen diese als Abschreckung und zur Sicherung von Handelsrouten eine sehr große Rolle. So würde es zum Beispiel ohne die dauerhafte Präsenz der amerikanischen Flotten in den Weltmeeren zu deutlich mehr Zwischenfällen und Störungen kommen. In diesem Sinne müssen wir nach und nach gemeinsame Rüstungsprojekte unterstützen, die Anzahl verschiedener Waffensysteme reduzieren und die Kooperation zwischen den nationalen Streitkräften verbessern. Auch im Internet muss der Kampf gegen Cyberattacken, die u.a. kritische Infrastruktur stilllegen könnten, einheitlich koordiniert werden. Wenn wir Europäer in Zukunft international eine größere Rolle wahrnehmen und vor allem eine glaubhaft unabhängige Meinung vertreten möchten, können wir nicht komplett von den Amerikanern abhängig sein. Andernfalls bleiben wir in verschiedenen zentralen Punkten in der Junior-Rolle. Zudem vermittelt eine EU-Armee ein geschlossenes und handlungsfähiges Bild von der EU nach außen.

Unter Präsident Trump werden die transatlantischen Beziehungen auf eine schwere Probe gestellt. Insbesondere im Handel wird mittels Strafzöllen Druck auf unsere Wirtschaft ausgeübt. Dem müssen wir, wie bei den anderen Themen auch, geschlossen entgegenstehen. Gleichzeitig sollten wir jedoch nicht nur die amerikanische Seite verteufeln und deren Zollerhöhungen kritisieren, sondern genauso selbstkritisch überprüfen, wie hoch wir unsere eigenen Zölle schon seit langer Zeit ansetzen. Amerikanische Autos etwa werden von der EU viermal so hoch besteuert wie europäische Autos von den USA. Bevor wir dies nicht ebenfalls kritisieren, kann man mit Trumps Regierung und den nachfolgenden nicht vernünftig und glaubwürdig arbeiten.

Strafzölle sind Einfuhrzölle, die als Reaktion auf vermeintlich illegale oder unfaire Handlungen auferlegt werden. Der Handel der betroffenen Waren soll hierbei sanktioniert werden.

Im Endeffekt sollte aber das Ziel sein, Handelsbarrieren beidseitig zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren, um den Handel zu erhöhen. Beim Aufbau solcher Handelssysteme ist es elementar, wie die CDU/CSU betont, die hohen europäischen Standards abzusichern. Insbesondere beim Verbraucherschutz und bei unseren hohen Datenschutzanforderungen, die in der EU-Grundrechtecharta verankert sind, können wir uns keine Abstriche erlauben. Zudem müssen bereits verhandelte Abkommen wie die mit Kanada oder Japan endlich umgesetzt werden. Mit den USA sollten wir keinen Handelskrieg starten, sondern neue Verhandlungen für ein Handelsabkommen beginnen!

Die EU-Grundrechtecharta legt die Grund- und Menschenrechte im Rahmen der EU fest.

Denn erinnern wir uns an Henry Kissingers berühmten Satz: Deutschland ist zu klein für die Welt und zu groß für Europa. Wir können nicht ohne Europa, und Europa nicht ohne uns. Das gilt umso mehr nach dem Brexit. Nicht zuletzt deswegen bringt es wenig, sich diesem europäischen Projekt abzuwenden. Nun ist die EU aber nicht nur alternativlos, sondern bietet besonders für junge Leute sehr viele positive und aufregende Chancen. Wichtig ist nur, dass diese vorsichtig angegangen werden, um einzelne Staaten nicht „von außen” zu stark und zu schnell zu verändern, was zu teils heftigen Gegenreaktionen und zur Instabilität des gesamten Projekts führen kann. In diesem Sinne sind Rufe nach den „Vereinigten Staaten von Europa” oder einer umfassenden Transfer- oder Sozialunion vollkommen unpassend und kontraproduktiv. Fortschritt liegt in der Beständigkeit, Ordnung und dem Frieden; alles andere ufert schnell in unvorhersehbare Richtungen aus. Wir brauchen einen modernen Konservatismus, der nicht radikal alle Tische umschmeißt, sondern sie behutsam verschiebt.

Wahlkampfthemen

VON CAMILLA MAGIS & MAXIME PSCHERA

Die Union aus CDU und CSU hat erstmals ein gemeinsames Wahlprogramm für eine Europawahl veröffentlicht. Unter dem Leitspruch “Unser Europa macht stark. Für Sicherheit, Frieden und Wohlstand”  setzt sie ihre Schwerpunkte auf die Förderung der Sozialen Marktwirtschaft, Forschung und Innovation, eine gemeinsame Asyl- und Verteidigungspolitik sowie die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips.

Die Soziale Marktwirtschaft bezeichnet eine Wirtschaftspolitik, die mit staatlichen Eingriffen sicherstellen will, dass der freie Wettbewerb zum Wohl aller Bürger beiträgt.

  • Wirtschaft
  • Asylpolitik und Sicherheit
  • Außen- und Verteidigungspolitik
  • Umwelt und Nachhaltigkeit
  • Jugend und Bildung
  • Heimat und Landwirtschaft
  • EU-Reformen

Wirtschaft

CDU und CSU wollen die Soziale Marktwirtschaft als Inbegriff einer freiheitlichen Grundordnung auf Basis christlicher Werte erhalten und gegen andere Gesellschaftssysteme verteidigen. Den Europäischen Binnenmarkt wollen sie zum Wohle aller Bürger stärken. Außerdem möchten sie die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen erhalten und fördern. Dafür sollen zum Beispiel die Abgaben für Unternehmen gesenkt werden. Die Union sieht Freihandel und Globalisierung als Wachstums- und Wohlstandstreiber und möchte deshalb international Handelshemmnisse abbauen. So sollen neue Freihandelsabkommen mit den USA, Australien, Neuseeland, Vietnam und anderen Staaten verhandelt werden.

Arbeit und Soziales

Die Union will durch die Förderung privater Investitionen sowie durch Reformen für Wachstum und Beschäftigung fünf Millionen neue „Zukunftsjobs” schaffen. Gleichzeitig setzt sie sich dafür ein, dass bestehende Arbeitsplätze, zum Beispiel in der Automobil- oder der Braunkohleindustrie, nicht ersatzlos verloren gehen. Zudem will sie europäische Mindeststandards beim Arbeitsschutz einführen. In Zukunft sollen Familie und Beruf besser vereinbart werden können, die Jugendarbeitslosigkeit gesenkt werden sowie mehr Menschen mit Behinderung eingestellt werden. Jedoch soll ganz nach dem Prinzip der Subsidiarität die Verantwortung für Sozialsysteme, Mindestlohn oder Altersvorsorge bei den Mitgliedstaaten bleiben.

Subsidiarität bezeichnet das Prinzip, dass die EU nur Aufgaben übernehmen darf, die die europäische Ebene besser als die Mitgliedsstaaten lösen kann.

Finanzen

Die Union möchte eine stabilere und stärkere EU. Dafür will sie Sanktionsmöglichkeiten für Mitgliedstaaten schaffen, die die europäischen Regeln für finanzielle Stabilität nicht einhalten. Auch soll es eine Insolvenzordnung für Euro-Staaten geben. Bankenrettungen aus Steuermitteln lehnt sie ab, eine Vergemeinschaftung der Schulden kommt für die Union ebenfalls nicht infrage. Schließlich will sie den Mitgliedstaaten so viel Eigenständigkeit und Eigenverantwortung wie möglich in der Haushalts- und Finanzpolitik zugestehen und lehnt somit auch die Einsetzung eines europäischen Finanzministers ab. Jedoch sollen nationale Wirtschaftspolitiken künftig mehr aufeinander abgestimmt werden. Um zukünftigen Währungskrisen vorzubeugen, soll der Europäische Stabilitätsmechanismus zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. So sollen Ländern der Eurozone, die in Schwierigkeiten geraten,  rasch Kredite gewährt werden, wenn sie bestimmte Reformen durchführen. Zuletzt legt die Union Wert auf Fairness in der Steuerpolitik: Alle Unternehmen, eingeschlossen globale Konzerne, sollen Steuern zahlen müssen. Auch will sie eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer einführen, damit Unternehmen in Europa nach den gleichen Regeln besteuert werden. Außerdem möchte sie eine niedrige EU-weite Finanztransaktionssteuer einführen.

Eine Finanztransaktionssteuer belegt alle Transaktionen an der Börse mit einer Abgabe an den Staat. Damit soll vor allem der Hochfrequenzhandel eingedämmt werden.

Innovation, Forschung und Digitalisierung

Durch deutlich mehr Investitionen und Förderung wollen CDU und CSU Europa zur global führenden Kraft in den Schlüsseltechniken der Zukunft machen. Dafür wollen sie Start-ups und Forschung mehr durch europäisches Kapital fördern, zum Beispiel mit einem Europäischen Zukunftsfonds und dem Innovationsbudget “Future made in Europe”. Mit länderübergreifender Forschung und einem eigenen Masterplan wollen sie Krebs und Alzheimer bekämpfen. Deutschland und Europa sollen zu einem führenden, unabhängigen Standort für Künstliche Intelligenz, nachhaltige Mobilitätskonzepte und autonomes Fahren werden. Zum Beispiel sollen Batteriezellen aus europäischer Produktion statt aus Asien bezogen werden. Innovation und Digitalisierung sollen dabei stets dem Menschen dienen, indem sie Wohlstand und Arbeitsplätze schaffen. Bei der nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie sollen keine Inhalte blockiert werden, um Urheberrecht mit Meinungsvielfalt zu kombinieren.

Asylpolitik und Sicherheit

Die Union erkennt Europas rechtliche und humanitäre Verpflichtungen an, will aber die Zahl der ankommenden Flüchtlinge niedrig halten. Sie setzt dabei auf europäische Transitzentren, in denen über die Einreiseerlaubnis von Migranten entschieden wird und von denen aus nicht zugelassene Personen wieder zurückgeführt werden. Zudem will sie europaweit ein einheitliches und schnelles Asylverfahren einführen und Asylbewerberleistungen europaweit angleichen. Die grundsätzliche Zuständigkeit des Ersteinreiselandes soll dabei beibehalten werden, während Solidarität von allen europäischen Staaten im Rahmen einer Lastenverteilung erwartet wird. Zur Eindämmung der Immigration sollen – nach dem Vorbild des EU-Abkommens mit der Türkei – präventiv Flüchtlingsabkommen mit Staaten Afrikas sowie des Nahen und Mittleren Ostens geschlossen werden. Außerdem will die Union Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. Um illegale Einwanderung zu beenden, soll die Grenzschutzorganisation FRONTEX eine europäische Grenzpolizei mit zehntausend Mitarbeitern werden. Solange der EU-Außenschutz nicht  in vollem Umfang gewährleistet ist, will die Union jedoch an temporären Grenzkontrollen an nationalen Grenzen festhalten. Dadurch soll der Schutz der Bürger vor Kriminalität und Terrorismus sichergestellt werden. Die Union will aus der Europäischen Polizeibehörde ein Europäisches FBI machen, das durch verknüpfte Datensysteme grenzüberschreitende Kriminalität bekämpfen kann.

Außen- und Verteidigungspolitik

Die Union will sich weiterhin dafür einsetzen, dass im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein ständiger Sitz für die EU geschaffen wird.

Der Sicherheitsrat der UN besteht aus fünf ständigen Mitgliedern (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien) und zehn gewählten. Er verabschiedet Resolutionen, die zum Beispiel ein völkerrechtliches Mandat für einen internationalen Militäreinsatz liefern können.

Auch einen EU-Sicherheitsrat unter Einbezug Großbritanniens soll es geben. Für größere Handlungsfähigkeit unterstützt die Union besonders in der Außen- und Verteidigungspolitik Mehrheitsentscheidungen statt dem bislang geltenden Einstimmigkeitsprinzip. Sie will die Russland-Sanktionen verlängern, bis das Minsker Abkommen umgesetzt ist und möchte die Freundschaft mit Nordamerika aufrechterhalten.

Das Minsker Abkommen wurde 2015 zwischen der Ukraine, Russland und europäischen Staaten geschlossen und soll den Konflikt in der Ost-Ukraine friedlich beilegen.

Zur Bekämpfung von Fluchtursachen soll es vermehrt Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe geben: Mit dem deutschen “Marshallplan mit Afrika” sollen private Investitionen in Afrika angeregt sowie faire Handelsabkommen geschlossen werden. Außerdem plant die Union, bis 2030 gemeinsame europäische Streitkräfte ins Leben zu rufen. Auch wollen sie gemeinsame Rüstungsprojekte fördern sowie europäische Rüstungsexportrichtlinien entwickeln. Mit gewillten europäischen Partnern ist die Union bereit, eine europäische Eingreiftruppe aufzubauen, um schnell und zielgerichtet auf Bedrohungslagen reagieren zu können. Zuletzt lehnt die Union die Aufnahme neuer Staaten in die EU ab, sondern will zunächst den EU-Zusammenhalt stärken.

Umwelt und Nachhaltigkeit

Die „Bewahrung der Schöpfung”, die Erhaltung der Artenvielfalt und der Kampf gegen den Klimawandel sind zentrale Anliegen der Union. Sie will die Ergebnisse des Pariser Klimaabkommens mit Vernunft und Augenmaß umsetzen. Auch die globalen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 sollen umgesetzt werden. Dazu plant sie, die internationale Bepreisung von Treibhausgasemissionen durchzusetzen sowie internationale Abkommen zur Plastikvermeidung zu schließen. Ziel ist jedoch stets eine Versöhnung von Ökonomie und Ökologie durch ein qualitatives, ressourcenschonendes Wachstum. Energiepolitisch ist ihr wichtig, dass Energie sicher, sauber und bezahlbar bleibt. Erneuerbare Energien sollen europaweit ausgebaut werden. Außerdem will sie sich in der Energieversorgung unabhängig machen, besonders von Russland.

Jugend und Bildung

Europa soll für die Jugend greifbar werden, zum Beispiel durch mehr Austauschprogramme. Das Interrail-Ticket will die Union allen 18-Jährigen kostenlos geben. Über das Solidaritätskorps will sie noch mehr Möglichkeiten für junge Leute schaffen, an Freiwilligenprojekten in ganz Europa teilzunehmen. Auch durch das neue Programm Erasmus+ soll die Mobilität von Schülern, Auszubildenden und Studierenden gefördert werden. Sie strebt die EU-weite Anerkennung von Bildungsabschlüssen an. Außerdem leistet die Union Überzeugungsarbeit, um das duale Bildungssystem europaweit durchzusetzen und so den unternehmerischen Geist der Jugend zu stärken. Schließlich soll lebensbegleitendes Lernen, Weiterbildung und berufliche Fortbildung gefördert werden.

Heimat und Landwirtschaft

Für die Union steht Europa nicht im Gegensatz zu sprachlicher und kultureller Vielfalt. Kommunen und Regionen sollen sogar institutionell gestärkt werden. Die deutsche Sprache soll als eine von drei Arbeitssprachen in EU-Institutionen praktisch eingesetzt werden.

Die ländlichen Regionen sollen durch die Unterstützung der Landwirtschaft gefördert werden. Landwirtschaft soll ökonomisch und ökologisch tragfähig sein. Durch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) Europas will sie faire Wettbewerbsbedingungen im europäischen Raum sicherstellen. Statt staatlicher Regulierung setzt die Union hier auf Anreize und Freiwilligkeit. Durch Direktzahlungen sollen bäuerliche Betriebe jeder Größe eine Basissicherung erhalten, um so auch leichter Umwelt-, Klima- und Naturschutz und Tierwohl verbessern zu können.

EU-Reformen

Die Union will Europa zu einem Europa der Bürger wandeln. Dafür will sie die europäische Demokratie stärken und Transparenz fördern. Sie befürwortet den Abbau von Bürokratie zugunsten von Bürgern und Unternehmen: Für jede neue Regel soll künftig mindestens eine andere gestrichen werden. Auch soll es einen unabhängigen Europäischen Normenkontrollrat geben. Dieser soll effektiv Kosten begrenzen und die Wahrung des Subsidiaritätsprinzip kontrollieren. Um die EU handlungsfähiger zu machen, soll auch das Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat stellenweise verlassen werden.

Who is who

Manfred Weber

Der studierte Ingenieur ist deutscher CSU-Politiker und seit 2014 Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP). Schon seit 2004 gehört er dem Europäischen Parlament an. Nun ist er als Spitzenkandidat der EVP schickt er sich an, Jean-Claude Juncker im renommierten Amt des EU-Kommissionspräsidenten nachzufolgen.

Angela Merkel

Wer kennt sie nicht – Angela Merkel ist seit 2005 Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Von 2000-2018 war sie Bundesvorsitzende der CDU – das übertrifft nur Helmut Kohl. Nun befindet sie sich in ihrer letzten Legislaturperiode bis maximal 2021.

Annegret Kramp-Karrenbauer

Auch genannt AKK, ist sie seit 2018 Bundesvorsitzende der CDU. Davor war die Politik- und Rechtswissenschaftlerin Ministerpräsidentin des Saarlandes. Potenziell könnte sie die nächste Kanzlerkandidatin von CDU und CSU werden. Sie gilt als wertkonservativer als ihre Vorgängerin Angela Merkel.

Günther Oettinger

Seit 2009 ist der CDU-Politiker das deutsche Mitglied der Europäischen Kommission, zuerst zuständig für Energie, dann für Digitale Gesellschaft und Wirtschaft und seit 2017 für Haushalt und Personal. Bekannt ist er (außer natürlich für seine politischen Leistungen) für unbedachte Kommentare und sein phänomenal deutsches Englisch.

Horst Seehofer

Der neue Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat war bis 2018 zehn Jahre lang Ministerpräsident des Freistaates Bayern und bis 2019 Vorsitzender der CSU. Nach Monaten des Zanks mit Angela Merkel, besonders im Rahmen ihrer Asylpolitik, bemühen sich CDU und CSU vor der Europawahl nun wieder um harmonische Einigung.