Ohne Rücksicht auf Verluste
KOMMENTAR CONTRA
VON JULIA ELISE SCHMIDT
Gut, dass Siri Trost spendet, wenn einen die Einsamkeit beschleicht, weil man versehentlich kurz von seinem Handy aufblickt und die anderen kopfhörerverstöpselten Köpfe sieht. Aber sind wir ehrlich: Verstaubte Lexika gegen hippe Youtube-Tutorials zu tauschen, war doch für alle eine Errungenschaft. Das bisschen Konzentrationsvermögen, das dabei flöten gegangen ist, gleicht die neu gewonnene Zeit mehr als aus, die sich nun mit inspirierenden Latte Macchiato-Bildern angesagter Influencer füllen lässt. Und überhaupt, wie sollten wir uns heute noch verlieben, wenn nicht alle 11 Minuten über Parship?
Fest steht: Digitalisierung ist sexy. Ganz egal ob “Industrie 4.0”, “Arbeitswelt 4.0”, “New Economy” – die schöne, neue Welt erstrahlt in erfrischendem Glanz. Tatsächlich verbirgt sich hinter allen digitalen Heilsformeln aber vor allem eines: ein Paradigmenwechsel in unserer Arbeitswelt. Derzeit wird er angetrieben von der Dampfmaschine der vierten industriellen Revolution, den Daten. Ein vielzitierte Oxford-Studie prophezeite uns 2013 eine düstere Zukunft: Fast 50 Prozent der Jobs könnten in den nächsten 25 Jahren verschwinden. Die Zahlen werden kontrovers diskutiert. Kann die Digitalisierung tatsächlich so verheerende Folgen haben?
Bist Du auch gegen das Wetter?
Wagen wir einen Sprung zurück ins 18. Jahrhundert. Die Geschichte der industriellen Revolutionen zeigt, dass Modernisierungsprozesse in der Wirtschaft in der Regel eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse zur Folge hatten. Langfristig zumindest. Dass die kurz- und mittelfristigen Folgen der revolutionären Umbrüche oft nicht besonders glanzvoll ausfielen, wird dabei jedoch gern vernachlässigt. Beispielhaft dafür stehen Millionen von Arbeitenden, die aufgrund der Industrialisierung um die Jahrhundertwende in brechend volle Städte ziehen mussten, sich dort mangels verbindlicher Regeln gegenseitig an Lohn unterboten und eingepfercht in Fabrikhallen ackerten. Technologischer Fortschritt bedeutet also nicht gleich verbesserte Lebensbedingungen.
Auf den ersten Blick wirkt es kontraintuitiv, etwas so Unaufhaltsames wie den digitalen Wandel abzulehnen. Der Journalist Frank Schirrmacher hat dazu einmal geschrieben, er sei nicht gegen das Internet, er sei ja auch nicht gegen das Wetter. Es fällt also schwer, an etwas Kritik zu üben, was so grundlegend erscheint wie der Glaube an den digitalen Fortschritt. Nur wieso sollte die Digitalisierung eine unaufhaltsame Naturgewalt sein? Die Frage, wer denn davon profitiert, dass wir die Digitalisierung als unaufhaltsam akzeptieren und erst bei ihren Chancen und Risiken zu diskutieren beginnen, darf sich jeder selbst beantworten. Da aber ein solcher wirtschaftspolitischer Wandel in weite Ferne gerückt scheint, muss man wohl als einzelner Mensch die Existenz der Digitalisierung erstmal als Faktum, das sich den Wertkategorien „gut“ oder „schlecht“ entzieht, akzeptieren.
Ob die Digitalisierung nun auf gute oder schlechte Weise genutzt wird und was aus ihrem Potenzial konkret entsteht, ist abhängig von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Digitalisierung selbst entscheidet nicht, wie die Arbeit konkret organisiert wird, welchen Belastungen die Beschäftigten dabei ausgesetzt werden oder ob ihre positiven Folgen für die Gesellschaft überwiegen. Diese Fragen der Arbeitsbedingungen sind Bereiche, die von der europäischen Politik gestaltet werden können. Die großartigen digitalen Möglichkeiten müssen dazu genutzt werden, Partizipation, Chancengleichheit und gesellschaftlichen Wohlstand zu fördern statt Postfaktizismus, Neoliberalismus und soziale Ungleichheit. Und dafür braucht es politisches Eingreifen.
Mehr Wohlstand durch die Digitalisierung – aber für wen?
Um zu verstehen, was die Digitalisierung für die heutige Arbeitswelt bedeutet, lohnt es sich, einen Blick auf die Motivation von Konzernen und Unternehmen zu werfen. Für die zählt nämlich vor allem eines: Gewinnmaximierung. Arbeitsplätze, die aufgrund neuer Technologien wie den Künstlichen Intelligenzen (KI) nicht mehr von Menschen ausgeführt werden müssen, werden deshalb eiskalt ersetzt. Verständlich, denn Computer haben weder Rentenansprüche, noch werden sie psychisch überlastet oder brauchen Urlaub. Deutlich angenehmer also für Unternehmende, die sich nicht mehr mit lästigen Arbeitsverträgen oder keifenden Betriebsräten auseinandersetzen müssen, die es sich anmaßen, mit völlig illusorischen Forderungen wie einem Überstundenausgleich die verzogene Belegschaft zu vertreten.
Dass Menschen auf unserem Arbeitsmarkt mit unbelebten Maschinen konkurrieren müssen, während es Arbeitslosigkeit und Verarmung gibt, ist absolut absurd. Aber wenn der Markt applaudiert, müssen die Ansprüche der Betroffenen in den Hintergrund treten. Laut einigen Studien dürften vor allem Routinetätigkeiten mittleren Einkommens von der Digitalisierung betroffen sein. Die künstliche Intelligenz arbeitet schon jetzt so viel effizienter als wir, dass sogar studierte Juristinnen und Juristen, Finanzberatende und Ärztinnen und Ärzte nicht mithalten können. Das bedeutet zwar nicht, dass diese Menschen sofort arbeitslos werden, da ebenfalls neue Stellen entstehen. Aber wenn die mittelmäßig bezahlten Jobs durch eine Einsetzung von KI langsam schwinden, steigt dadurch die Zahl gut bezahlter, hoch qualifizierter Stellen ebenso wie der Anteil schlecht bezahlter Arbeitsplätze. Das führt langfristig zu einer Lohnpolarisierung, was zur Folge hat, dass die Gesellschaft nachhaltig in ein Oben und Unten gespaltet wird und wir es mit einem völlig neuen Ausmaß sozialer Ungleichheit zu tun bekommen werden. In Europa wäre eine Lohnpolarisierung vieler Volkswirtschaften nicht zuletzt auch deshalb fatal, weil sich die meisten Sozialstaaten auf eine starke Mittelschicht gründen, die aber im Zuge der digitalen Umstrukturierung zu verschwinden droht.
Ein weiterer Faktor, der die Entwicklung sozialer Ungleichheit im Zuge der Digitalisierung begünstigt, ist der große Unterschied der digitalen Versorgung zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Wenn bereits über 90% der Arbeitsplätze in Europa digitale Kompetenzen voraussetzen, sind naturgegeben diejenigen stark benachteiligt, die aufgrund ihres Standortes mangelnden Zugang zu digitalen Werkzeugen haben. Das Versprechen der Europäischen Kommission, auf zwei Jobs, die verloren gingen, kämen fünf neue im IT-Bereich, ist für diejenigen, die dafür nicht gewappnet sind, ein sehr schwacher Trost. Es ist schlicht falsch, anzunehmen, die entstehenden Arbeitsplätze könnten mit denselben Menschen besetzt werden, die ihre Jobs im Zuge der Digitalisierung verlieren. Ein arbeitsloser Bürokrat wird ja nicht über Nacht zu einem hochspezialisierten Informatiker.
Durch mehr Effizienz und bessere Software wird es am Ende der digitalen Umstrukturierung vielleicht zwar insgesamt mehr Wohlstand geben, aber ob der durch den Profit generierte Wohlstand in der Bevölkerung auch gleich verteilt sein wird oder ob vor allem die Vorsitzenden großer Unternehmen davon profitieren, das ist ungewiss. Es mag vielleicht sein, dass in der Betriebswirtschaft eine höhere Produktivität allgemein auch mit mehr Profit einhergeht. Für die Volkswirtschaft gilt darum aber noch lange nicht, dass Produktivitätssteigerung auch mehr Wohlstand für alle bedeutet. Vermutlich verbleibt dieser vielmehr bei wenigen, einflussreichen Unternehmenden, die die Früchte des neuen Wohlstandes ernten.
Mit Cocktails ins Burnout – die Arbeitswelt im digitalen Wandel
Wenn tonnenschwere Archive auf 16 Zoll komprimiert werden können und es dem Bürokrams herzlich egal ist, ob er in Bottrop oder einer Strandbar in Punta Sal bearbeitet wird, klingt die Nutzung digitaler Möglichkeiten in die Arbeitswelt erstmal schrecklich verlockend.
Vor allem auf young urban people, die schon in der Fruchtblase Tomatensaft aus RyanAir-Flugzeugen genossen haben, wirkt diese Flexibilisierung anziehend. Aber die neu erlangte Freiheit kann schnell in ihr Gegenteil umschlagen, wenn selbst am entspannten Familienwochenende ständig die Chefin dazwischenfunkt und uneingeschränkte Verfügbarkeit zur Norm wird.
Durch die Loslösung der Arbeit von einem lokal begrenzten Ort, auf den sich die Arbeitstätigkeit beschränkt, ist kaum noch zu kontrollieren, wann Arbeitszeit in Freizeit hineinwirkt und über die nicht mehr vorhandenen Bürogrenzen hinweg untragbare Ausmaße annimmt. Besondere Herausforderungen ergeben sich hier vor allem rechtlich. Unsere Arbeitsstandards umfassten bisher einen klar begrenzten Wirkungsbereich. Die Flexibilisierung der Arbeit und ihre Entgrenzung überwinden aber die abgegrenzten Bereiche und damit auch die geschützten Räume. Macbook und Mojito ist also schön gut – aber nur, wenn man genug trinkt, um die ungeklärte Rechtslage zu verdrängen.
Damit die Arbeit aber auch nach gutem Sex on the Beach nicht unter solchen Anpassungsproblemen leidet, muss die Politik es schaffen, die rechtlichen Regelungen an die Digitalisierung anzupassen. Es bedarf dringend deutlich komplexerer und vor allem ortsunabhängiger Regulierungen, die den Rahmen zum effektivem Schutz der Rechte der Beschäftigten bilden. Die EU muss hier der Garantie der „würdigen Arbeitsbedingungen“ in der Grundrechte-Charta auch in einer digitalen Welt gerecht werden und klare Forderungen an Konzerne und Unternehmen stellen, die es verbieten, die Flexibilisierung der Arbeit zu missbrauchen und Arbeitnehmende auszunutzen.
Ein weiterer Bereich psychologischer Belastung entsteht durch die neuen digitalen Möglichkeiten der Kontrolle. Diese vollzieht sich einerseits durch digitale Software, andererseits durch die Ansammlung personenbezogener Daten. Generell bezeichnet man riesige, komplexe Datenmengen, die nicht mehr mit herkömmlichen Methoden der Datenverarbeitung entschlüsselt werden können als Big Data. Die Daten, die hier zusammenkommen, können aus verschiedensten, teilweise intimen Quellen stammen. Bei der Nutzung von Kreditkarten, Social-Media-Plattformen oder Kartendiensten begeben sich die privaten Informationen schnurstracks in Richtung Datenwolke. Es ist also beinahe unmöglich, normal mit seinen Bekannten im Ausland zu kommunizieren oder einkaufen zu gehen, ohne dabei eine Datenspur hinter sich herzuziehen. Die persönlichen Daten werden zwar in den meisten Fällen nicht individuell ausgewertet, aber der Zugang zu diesen privaten Informationen wird nur von sehr wenigen kontrolliert und es sind wenige große Marktteilnehmer, denen wir die alleinige Herrschaft über unsere Daten anvertrauen.
In der Arbeitswelt bedeutet die personenbezogene Sammlung von Daten vor allem die Gefahr von Überwachung und zunehmender Leistungskontrolle. Digitale Werkzeuge werden eingesetzt, um Arbeitnehmende auf ihre Produktivität hin zu untersuchen. Tatsächlich existiert mittlerweile eine ganze Palette verschiedener Spionagesoftware für Arbeitgebende, die es zulassen, Emails der Mitarbeitenden zu lesen, die Internetnutzung zu kontrollieren und Suchmaschineneingaben nachzuverfolgen. Im Büro werden Schritt und Tritt bis zur Toilettentür mitverfolgt und im Krankheitsfall könnte man sich darauf einstellen müssen, dass nachverfolgt wird, ob die Angina die Betroffene tatsächlich ans Bett gefesselt hat. In extremen Fällen laufen dann vielleicht gleich Kameras oder versteckte Tonbandgeräte. Legitimiert werden die Kontrollmaßnahmen dann durch “freiwillige” Zustimmung. Denn es hat doch niemand etwas zu verbergen, nicht wahr? Man müsse ja auch nicht hier arbeiten, heißt es dann, schließlich zwinge einen ja niemand dazu. In Wahrheit ist der Druck aber groß. Viele Menschen sind auf ihren Job angewiesen. Und wer rebelliert, riskiert.
Volle Kraft voraus – aber bitte mit Blick auf den Menschen
Die Digitalisierung segelt mit voller Kraft voraus. Aber teilweise leider in sehr unsichere Gewässer, die jedenfalls für die Besatzung zur Gefahr werden könnten. Die entscheidende Frage ist deshalb: Wie lässt sich ein Kentern verhindern und wie lässt die Digitalisierung sich erfolgreich umsetzen? Wichtig ist: zentraler Bezugspunkt darf nicht nur die Industrie sein.
Kein Höher, Schneller, Weiter ohne Blick für das, was auf der Strecke bleibt. Sondern ein sozialer, digitaler Wandel mit dem Menschen im Vordergrund. Die flexiblere Arbeitsweise, der weitreichende Zugang zu Informationen und eine Harmonisierung europaweiter Arbeitsrechte besäßen das Potential, soziale Ungleichheiten in einer digitalen Zukunft erheblich zu verringern und die Arbeitsbedingungen aller Menschen zu verbessern. Dazu müssten diese Punkte jedoch stärker priorisiert werden. Im Moment scheint es nämlich so, als ob die europäische Politik und Wirtschaft in der Digitalisierung nur eine einzige Herausforderung sähe: die Behauptung der eigenen Wirtschaft im Wettbewerb mit den USA und China. Volle Kraft voraus ohne Rücksicht auf Verluste, lautet das Mantra, während die Menschen gerne vergessen werden. Diese Denkweise ist fatal, denn es bedarf einer wohldurchdachten digitalen Strategie, um die Digitalisierung gewinnbringend für alle zu gestalten.
Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Das zeigen auch aktuelle Zahlen: 24 Prozent der Menschen in Europa haben keinen Zugang zu schnellem Breitband, in ländlichen Regionen ist diese Zahl sogar mehr als doppelt so groß. Außerdem fehlt es noch 44 Prozent der europäischen Bevölkerung an digitalen Grundkompetenzen während beinahe alle Berufe diese jetzt erfordern. Gerade deshalb ist es so ungemein wichtig, dass die EU sich beeilt, einen guten Zugang zu digitalen Werkzeugen für alle Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen, damit sich die Menschen für die Digitalisierung wappnen können.
Vor allem auch, weil es zwischen den verschiedenen EU-Staaten erhebliche Unterschiede im digitalen Fortschritt gibt und die Ungleichheiten in diesem Bereich mit der Entschuldigung eines Europas der zwei Geschwindigkeiten nicht zu rechtfertigen sind. Der Graben zwischen ohnehin schon wirtschaftsstarken und -schwachen Mitgliedern könnte weiter auseinanderklaffen, wenn das nicht politisch verhindert wird.
Ultimative Berücksichtigung müssen im Digitalisierungsprozess die Arbeitnehmenden finden. Sie müssen im Mittelpunkt der Digitalisierung stehen. Programme zur Umschulung und eine ausgleichende Sozialpolitik sind deshalb dringend geboten. Denkbar wäre auch eine Maschinensteuer, die von Konzernen zusätzliche Sozialabgaben fordert, sobald sie Menschen durch Maschinen ersetzen und Arbeitsplätze wegrationalisieren. Jede digitale Veränderung muss unbedingt darauf geprüft werden, ob sie tatsächlich für die Beschäftigten wünschenswerte Folgen hat und gesellschaftliche Verbesserungen erwirkt oder ob sie nur einzelnen Unternehmenden dient. Denn wenn Menschen übergangen, kleine Betriebe überfordert, Arbeitnehmendenrechte aufgeweicht und Großkonzerne bevorzugt werden, dann verliert die Gesellschaft. Und das darf nicht passieren. Nutzen wir also das große Potenzial digitaler Möglichkeiten – aber bitte mit Blick auf den Menschen!
Industrie 4.0:
Wann werden wir endlich ersetzt?
KOMMENTAR PRO
VON LUKAS MAUTNER MARKHOF UND JOHANNES PITTGENS
Spätestens, seitdem das Hightech-Forum als Berater für die deutsche Bundesregierung im Jahr 2014 seine Hightech-Strategie und damit Ziele für die Forschung und Entwicklung von neuen Technologien vorgestellt hat, ist die Industrie 4.0 in aller Munde. Aber beginnen wir einmal am Anfang: Was ist die Industrie 4.0 überhaupt?
Vereinfacht gesagt kann die vierte industrielle Revolution, genau wie die erste, zweite und dritte, für erhebliche Produktivitätsfortschritte sorgen. Ausgehend von Großbritannien hat die erste industrielle Revolution (ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) durch die Nutzung der Wasserkraft und die Erfindung der kohlegetriebenen Dampfmaschine Industrien wie die Stahl- und Textilindustrie aufgebaut. In der zweiten industriellen Revolution (Ende des 19. Jahrhunderts) kam es durch den Einsatz von elektrischem Strom zur Massenproduktion an Fließbändern und Arbeitsteilung im großen Stil. Das beste Beispiel ist die Herstellung der Ford-Autos, die durch eine erhebliche Steigerung der Produktivität das Auto für die breite Bevölkerung bezahlbar gemacht hat. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde dann im Zuge der dritten industriellen Revolution durch die Einführung von Computern eine zunehmende Automatisierung im produzierenden Gewerbe vorgenommen. Diese konnten sowohl Daten verarbeiten als auch Roboter steuern und haben ebenso zu einer effizienteren, dynamischen Wirtschaft beigetragen.
Während die vorherigen industriellen Revolutionen vor allem durch mechanische Fortschritte getrieben wurden, werden der Datenaustausch, die Verbindung der einzelnen Glieder von Produktionsketten und die daraus resultierende höhere Automatisierung als Treiber der vierten industriellen Revolution angesehen. Mit diesem Fortschritt können Firmen schon bald in sogenannten „Smart Factories“ produzieren. Diese basieren unter anderem auf Technologien wie dem Internet der Dinge, dem Cloud Computing und der Möglichkeit des schnellen Datenaustauschs. Dabei ermöglicht der Austausch der Daten eine harmonische Zusammenarbeit zwischen Menschen, Robotern und Computern. Um die Zusammenarbeit zu ermöglichen, müssen davor aber Daten gesammelt werden, denn diese sind essentiell für die Industrie 4.0.
Der Begriff Internet der Dinge (engl. Internet of Things) beschreibt eine drahtlose Infrastruktur zur Kommunikation zwischen Maschinen jeglicher Größe, die den Datenaustausch und die Zusammenarbeit ermöglicht.
Daten – die Kohle des digitalen Zeitalters?
Nicht selten liest oder hört man solche Vergleiche – Daten sollen der Rohstoff unserer Zukunft sein. Nehmen wir zur Veranschaulichung das Beispiel der Kohle, den Rohstoff der ersten industriellen Revolution: Im 18. Jahrhundert haben wir Menschen die seit Jahrtausenden zum Heizen verwendete Kohle als Rohstoff für Dampfmaschinen entdeckt. In der vierten industriellen Revolution ist das Prinzip sehr ähnlich. Natürlich verbrennen wir keine Daten. Aber wir nutzen sie, leiten daraus einen Algorithmus ab und tauschen sie in unserer vernetzten Welt aus. Der Algorithmus verarbeitet und analysiert die Daten, um dann eine entsprechende Funktion auszuführen.
Die dafür benötigten Daten können alles umfassen. Stell dir vor, du schlummerst gemütlich in deinem Bett und auf einmal klingelt dich dein Wecker wach. Verärgert greifst du nach deinem Handy, um den Wecker auszuschalten. Anschließend schaust du, welche Benachrichtigungen du erhalten hast, tippst verschlafen ein paar Nachrichten an Freunde und drehst deine Musik auf, bevor du in die Dusche steigst. In dieser kurzen Zeit hast du bereits eine Spur an Daten hinterlassen. Deine Wecker-App weiß, wann du aufgewacht bist. Deine Messenger-Apps wissen, mit wem du schreibst. Deine sozialen Netzwerke wissen, welche Posts dich am meisten interessiert haben. Deine Musik-App weiß, zu welchen Songs du am liebsten unter der Dusche singst.
In dem oben genannten Beispiel hast du viele Daten über dich preisgegeben – in Einzelfällen kommt es leider immer zu sogenannten Datenleaks, bei denen solche Daten in die falschen Hände geraten. Im Allgemeinen werden die Daten mit allen anderen Daten zusammengewürfelt. Diese Ansammlung sehr großer Mengen an Daten wird „Big Data“ genannt. Richtig: Der ominöse Begriff „Big Data“ ist nichts anderes als viele Daten auf einem Haufen. Nur diese Daten, egal wie viele sie sind, nützen niemandem etwas, wenn man sie nicht verstehen kann. Deswegen kommt KI ins Spiel, um das Potential von Big Data voll auszuschöpfen und seine Vorteile zu nutzen.
Künstliche Intelligenz: ‘intelligent’ genug, um uns zu helfen, aber nicht, um uns zu ersetzen
Obwohl sich bereits jetzt viele Menschen um ihre Arbeitsplätze sorgen, die in Zukunft von Künstlicher Intelligenz ersetzt werden könnten, wissen viele gar nicht, auf welchem Stand die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz eigentlich im Moment ist. Die starke Künstliche Intelligenz ist das Schreckgespenst vieler Arbeitnehmer, auch als Superintelligenz bezeichnet. Sie kann flexibel unterschiedlichste Probleme lösen, so wie wir Menschen. Forscher sind sich uneinig, wann der Zeitpunkt sein wird, an dem Maschinen starke Künstliche Intelligenz erlangen. Bisher lagen aber alle Schätzungen falsch, weshalb davon auszugehen ist, dass wir noch einige Zeit davon entfernt sind. Demgegenüber steht die schwache Künstliche Intelligenz. Sie ist auf einem konkreten Anwendungsgebiet “intelligent”, auf das sie speziell programmiert wurde. “Intelligent” ist mehr ein Marketing-Begriff. Denn eigentlich handelt es sich dabei um Prozessoptimierung von Maschinen. Darunter fallen alle heute existierenden Systeme der Künstlichen Intelligenz.
Eine kleine Anekdote dazu: Als William Lee 1589 den ersten Handkulierstuhl erfand, verweigerte Elizabeth I. ihm das Patent mit den Worten: “Sie zielen hoch hinaus, Master Lee. Bedenken Sie, was Ihre Erfindung meinen armen Untertanen antun könnte. Es würde sie sicherlich in den Ruin treiben und ihre Arbeit kosten, wodurch sie zu Bettlern würden.” So wie sich heute niemand mehr in die Zeit handgestrickter Strümpfe zurückwünscht, wird sich hoffentlich auch die Digitalisierungsskepsis bald als unbegründet herausstellen.
Digitalisierung: Nicht nur ein Mittel der Turbokapitalisten – jetzt auch zum Anfassen für Otto-Normalverbraucher
Ein Beispiel dafür ist die Spracherkennung. Die Spracherkennung ist vermutlich eine der heute am meisten genutzten Formen der Künstlichen Intelligenz. So findet sich Siri oder der Google Assistent mittlerweile fast auf jedem Smartphone und erleichtert Milliarden von Nutzern das Leben. Auch in der Industrie wird künstliche Intelligenz verwendet, um die Produktion von Gütern zu vereinfachen, sie in höherer Qualität an den Markt zu bringen – und das zu einem geringeren Preis.
Die Biotechnologie gewinnt in der Industrie 4.0 neue Bedeutung. Durch künstliche Intelligenz können wir den Körper besser verstehen und wirksamere Medizin herstellen. Nicht nur das: Es kann jetzt schon in der Medizin stärker auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten eingegangen werden. Auch in der Herstellung von Waren gibt es eine Revolution. Mit dem 3D-Drucker schaffen wir es, aus verschiedensten Materialien Objekte einfach herzustellen, die zuvor durch langwierige Prozesse mit Maschinen oder handwerklich angefertigt wurden.
Der Begriff Cloud Computing bedeutet auf Deutsch “Wolkenrechnen”. Durch diese Übersetzung wird veranschaulicht, woher die Rechenleistung kommt – nicht vom lokalen Computer, sondern durch die gebündelte Leistung viele Rechner, die zusammengeschlossen sind. Dadurch können wir auf sehr leistungsstarke Computer zugreifen, ohne sie tatsächlich selbst einzukaufen. Wir nutzen diese Technologie täglich, wenn wir über Dropbox oder Google Drive-Dokumente, Bilder und Videos teilen.
“Blockchain” ist eine weitere Technologie – eines der Buzzwörter des Jahres 2018. Obwohl die erste Krypto-Blase (also ein Ansturm von Investoren auf die Technologie) bereits geplatzt ist, verbirgt sich dahinter ein vielversprechendes Prinzip Die einzigartigen Eigenschaften der Datenspeicherung tragen dazu bei, dass die Blockchain etwa beim Management persönlicher Daten, im Gesundheitswesen und auch für juristische Zwecke genutzt werden kann. In der Industrie 4.0 denken Firmen darüber nach, die Speicherung von Daten mittels einer Blockchain sicherer zu gestalten.
Die Europäische Union schläft nicht, wenn es darum geht, diese technologischen Entwicklungen der Industrie 4.0 umzusetzen. Im Moment hinkt Europa in Privatinvestitionen hinter Asien und Amerika noch hinterher, hat aber erkannt, dass es hier aufholen muss. Während Europa im Jahr 2016 nur 3,2 Mrd. Euro investiert hat, sind es in Asien bis zu 9,7 Mrd. und in Amerika bis zu 18,6 Mrd. Euro. Europa muss aufholen und tut das auch. Es werden Milliarden in Digitalisierungsstrategien investiert, in denen EU-Mittel, Mittel der EU-Mitgliedstaaten und private Mittel zusammengeführt werden, um Forschung und Industrie zu unterstützen. Im Zeitraum 2020–2027 soll es bis zu 20 Mrd. Euro jährlich an privaten und öffentlichen Investitionen in Künstliche Intelligenz geben, damit Europa federführend an der vierten industriellen Revolution mitwirken kann. Deutschland ist hier an vorderster Front, in Österreich und den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten steht eine Strategie für Künstliche Intelligenz noch aus.
Österreich darf hier keine Sekunde zuschauen. Denn wer zuschaut, verliert. Von daher ist es an der Zeit, die Österreich an die Spitze der digitalen Wertschöpfungskette zu bringen, sodass wir alle von der Digitalisierung profitieren!